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Naradas Stolz

Narada praktizierte Tapas. Indra sah dies, wie immer, mit Sorge. Was war der Grund? Wollte er über sein Reich herrschen? Um ihn zu unterbrechen, sandte er Kama zu Narada.

Kama machte sich pflichtbewusst und hochmotiviert auf. Er erwärmte den Berg auf dem Narada saß, ließ die Luft nach Blüten duften, Musik erklingen und Springbrunnen plätschern. Eine Apsara tanzte verführerisch.

Der Weise reagierte nicht. So griff Kama zu seinem Bogen aus Zuckerrohr und schoss Blütenpfeile. Diese unfehlbare Waffe traf einst selbst Shiva erfolgreich. Allerdings erinnerte er sich schmerzlich daran, dass er ihn anschließend zu Asche verbrannte. Doch nun galt es, diesen Auftrag zu erfüllen.

Kama schoss direkt in Naradas Herz. Narada öffnete nicht einmal seine Augen. Diese Größe beeindruckte Kama und er fiel Narada zu Füßen. Narada öffnete die Augen und sah den sich vor ihm verneigenden Kama. Er lächelte, als er von seinen Bemühungen erzählte. In seiner Brust schwoll der Stolz gewaltig an. Kaum war Kama gegangen, eilte Narada zum Kailash, dem Heim Shivas.

Shiva schien beeindruckt von Naradas Leistung: ‚Du hast mich übertroffen, großer Weiser, nun bin ich nicht mehr der Einzige, der Kamas Pfeilen widerstehen konnte. Erzähle das bitte nicht Vishnu.‘

Narada übersah das schelmische Lächeln Shivas …

Er verließ den Kailash nachdenklich und ein wenig eingeschnappt. Warum sollte er diese gewaltige Leistung nicht Vishnu erzählen, war er doch einer seiner ergebensten Anhänger. Shiva schien eifersüchtig zu sein. Das machte ihn noch stolzer.

Wie vom Wind getragen eilte er nach Vaikuntha. Vishnu ruhte. Narada ließ sein übliches ‚Narayana, Narayana‘ erklingen, Vishnu lächelte und sprach: ‚Willkommen Narada. Was führt dich zu mir?‘

Narada platzte fast, dachte nicht daran, dass Vishnu alles wusste, was im Universum geschah. Er erzählte in allen Einzelheiten, mit leichten Übertreibungen und endete mit dem Satz: ‚Selbst Shiva erkannte mich als ihm überlegen.‘

Vishnu lächelte nur, was Narada enttäuschte, hatte er doch Lob und Begeisterung erwartet. Dass Shiva nicht jubelte, das war verständlich. Aber Vishnu?!

Er schloss aus der Reaktion, dass selbst Vishnu ihn als ihm überlegen erkannte, warum sonst sollte er nicht seine Anerkennung äußern? Seine Selbstverliebtheit steigerte sich bei diesem Gedanken. Mit einer höflichen Verbeugung und einem leicht zynischem ‚Narayana‘ verließ er Vishnu.

Er machte sich auf zur Erde, dort würde man seine Leistung sicher würdigen, jeder würde nach seinem Segen verlangen.

Als er auf die Erde kam, sah er ein Land, das er noch nie besucht hatte. Eine strahlende Stadt, die es mit jeder im Himmel aufnehmen konnte. Wo war er nur? Er suchte nach Plätzen, wo die Menschen sich versammelten und er etwas von ihrer Sprache hören konnte. Er erfuhr, dass dies das Königreich von König Shilanidhi war und dieser für seine Tochter das Fest der Gattenwahl vorbereite. Er beschloss, den König aufzusuchen.

König Shilanidhi hieß den großen Weisen willkommen, wusch ihm persönlich die Füße und bot ihm eine Erfrischung an: ‚Es ist mir eine große Ehre, den Überwinder von Kama in meinem kleinen Land begrüßen zu dürfen. Bitte segne meine Tochter, damit sie einen liebevollen Gatten findet.‘

Narada fühlte sich geschmeichelt … Überwinder von Kama … Neuigkeiten verbreiten sich offenbar geschwind. Er war gern bereit, die Tochter zu segnen. Der König ließ sie rufen.

Shrimati war das Schönste, was Narada je gesehen hatte. Er verliebte sich in sie und wollte sie heiraten. Die Flamme des Begehrens brannte in dem Weisen und er sprach zu Shilanidhi: ‚Diese Frau muss die Göttin selbst sein, die Gefährtin Vishnus. Deshalb habt ihr sie Shrimati genannt. Nur ein Strahlender wie Vishnu sollte sie heiraten.‘

Der König und Shrimati waren entzückt von diesen Worten. Shilanidhi bat Narada, dem Fest beizuwohnen. Diese Einladung nahm er gern an, hatte er doch nur darauf gehofft. Er verabschiedete sich und erkundete die Stadt.

Narada konnte Shrimati nicht vergessen. Sie war Lakshmi selbst. Er meinte, dass nur ein Mann wie Vishnu sie heiraten könne und dachte dabei an seine Wenigkeit. Er steigerte sich in einen Rausch. Natürlich waren Shiva und Vishnu neidisch auf ihn, war er doch ein vollkommenes Wesen im Universum.

Nur sein Gesicht, ja, das war nicht das schönste, ein Mann wie Vishnu sollte wie Vishnu aussehen. Von wem, als von Vishnu selbst, konnte er dieses Antlitz leihen? So betete Narada zu dem, den er über alles verehrte. Er betete zu Vishnu, dass er ihm erscheinen möge.

Kurz vor dem Fest erschien ihm Vishnu: ‚Was kann ich für dich tun?‘ Narada war der Hybris nahe, Vishnu erschien ihm und gewährte ihm einen Wunsch. Narada stimmte einen Lobgesang an, Vishnu für sein Erscheinen dankend und um Shrimati bittend. Im letzten Vers bat er um ein Antlitz wie Vishnu.

Shrimatis Fest der Gattenwahl wurde von Königen und Prinzen aus nah und fern aufgesucht. Narada erschien als Asket gekleidet mit seiner Laute in der Hand. Er schaute sich um, wer hatte mehr Chancen als er, der Erhabene, dem Vishnu erschien? Sicher wählte Shrimati ihn zum Gatten. Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, dass alle Anwesenden auf ihn zeigten und lachten.

Das Fest war eröffnet und als Shrimati erschien, waren alle Augen auf sie gerichtet. Die Girlande in Händen, die sie dem umhängen würde, den sie für sich erwählte, ging sie die Reihe der Anwärter ab, schaute jeden an, Narada war der Letzte in der Reihe, natürlich würde sie ihn wählen, waren die anderen doch alle Sterbliche. Er stand über ihnen, belesen in den Schriften, ein Künstler, ein Wanderer zwischen den Welten, ein Asket, der Überwinder von Kama und schön wie Vishnu.

Der einzige Grund, warum er einfach gekleidet war und sein Erkennungszeichen, die Laute, trug war, dass Shrimati ihn als Narada erkennen konnte. Sie kannte ja sein neues Gesicht nicht, aber die Laute würde sie sicher an ihn erinnern. Sie hatte sich noch nicht entschieden … bald würde sie das Ende der Reihe erreichen … Narada war nicht mehr Herr seiner selbst.

Und endlich stand sie vor ihm, die Zeit blieb stehen. Sie schlug die Augen nieder, sah ihn an, schaute wieder nach unten, ihre Lippen formten ein Lächeln … sie ging ein Stück weiter, auf den zu, der hinter ihm stand. Narada hatte niemanden hinter sich stehen sehen, er war der Letzte in der Reihe. Sie hatte ihn nicht erwählt, sie hatte ihn abgelehnt. Er hatte in ihren Augen das Spiegelbild eines Gesichtes gesehen … nicht das Gesicht, das er sehen wollte … nicht das Antlitz Vishnus … nicht einmal sein eigenes Gesicht. Es war das Gesicht eines Affen.

Narada war traurig und verletzt. Obwohl er sich nicht umgedreht hatte, wusste er wer hinter ihm gestanden hatte. Shrimati hatte ihm die Girlande umgehängt. Zorn kam in ihm auf, auf den, der ihm diesen Streich gespielt hatte. Er hörte dessen Stimme hinter sich: ‚Narada.‘

Oder kam sie von vorn? Sie war überall. Narada schloss die Augen, er wollte die Welt vergessen.

‚Narada, öffne deine Augen.‘

Vor ihm stand Vishnu, die Girlande um den Hals, die Shrimati in Händen gehalten hatte. Neben ihm stand Shrimati. Doch sie sah anders aus. Sie sah nicht wie ein Mensch aus, sondern wie eine Göttin. Narada erkannte Lakshmi selbst. Er schaute sich um, sie waren in Vaikuntha. Die Illusion hatte von ihm Besitz ergriffen.

Vishnu schaute Narada lächelnd an: ‚Wie konnte Kama von dir Besitz ergreifen?‘

Narada war gedemütigt. Was sollte er sagen. Vishnu hatte die Illusion zu ihm geschickt in dem Moment, als er von der Überwindung Kamas prahlte.

Die Realität wurde von Vishnu verdreht. Es gab kein Königreich, keinen König Shilanidhi und keine Shrimati! Lakshmi hatte im Auftrag Vishnus mit ihm gespielt, um ihm die Auswirkungen des Stolzes vor Augen zu führen.

Diese Version erzählt Ananth Iyer in seinem Blog.

Es gibt noch einen anderen Ausgang der Geschichte.

Als Narada erkannte, dass er das Gesicht eines Affen hatte sprach er zu Vishnu: ‚Ich habe dich gebeten, mir ein schönes Gesicht zu schenkten, um meine Geliebte zu gewinnen. Du hast mir das Gesicht eines Affen gegeben und ich habe sie verloren. Ich verfluche dich, Vishnu!

Du wirst dereinst deine Gefährtin verlieren, ein Affe wird dir helfen, sie zurückzuerhalten.‘

‚Ich nehme deinen Fluch an, Narada. Lakshmi und ich werden als Menschen auf Erden erscheinen, als Rama und Sita, denn es muss sich der Fluch meiner Torwächter erfüllen.‘

In dieser Version wird ein großer Bogen geschlossen.

Die Torwächter unterlagen einem Fluch, sie mussten drei Mal als Feinde Vishnus auf der Erde inkarnieren. Den Mythos finden Sie auf meiner Mythenseite unter ‚Avatare Vishnus > Jaya und Vijaya‘.

Jaya und Vijaya inkarnierten als Dämonen

Hirayakashipu und Hiranyaksha – Vishnu tötet sie als Varaha und Narasimha Avatar.
Ravana und Kumbhakarna – Vishnu tötet sie als Rama Avatar.
Shishupala und Dantavakra – Vishnu tötet sie als Krishna Avatar.

Durch Naradas Fluch wurde der Rama Avatar Vishnus angestoßen.

Im Ramayana wird Rama von Sita getrennt. Hanuman, ein Affe, bringt sie ihm zurück.